· 

In Der Frauenkirche

Kirchen sind besondere Orte. Sie regen mich zum Innekehren an, wie es sonst nur die Natur vermag. In der Frauenkirche gab es viele große und kleine Anregungen. Und das Gefühl, dass ich auf dem richtigen Weg bin. 

Es ist heiß in Dresden. Eigentlich habe ich keine Lust auf Touri-Kram aber die Frauenkirche zieht mich an. Wohl auch, weil ich mich auf den kühlen Innenraum freue.


Ich trete ein und werde sofort belohnt. Nicht nur, weil das Kirchenklima gut 10 Grad kühler ist als die Luft auf dem Vorplatz, sondern viel mehr wegen dem grandiosen Anblick. Ich bleibe einige Momente stehen und lasse das knapp 38 Meter hohe Gewölbe auf mich wirken. Freskos von Mattheus, Johannes und den biblischen Tugenden zieren den Himmel. 


Einige Touristen drängen sich meckernd an mir vorbei. Ich verstehe nicht, wie man durch dieses Gebäude hasten kann, den Blick nur auf den Bildschirm gerichtet, um das perfekte Video zu machen. 


Ich glaube, ich werde alt. 


Und doch sind die filmenden Menschen, die nichtmal fünf Minuten später wieder aus der Kirche huschen viel älter als ich. 


Schließlich bin ich in der Kirche angekommen und kann selbst einige Bilder machen. Das kühlende Gemäuer lädt mich ein, mich eine Weile in die erste Reihe zu setzen. Die sieben Ausgänge kreisförmig um mich angeordnet. Kaum zu glauben, dass hier beim Bombardement von 1945 1000°C gewütet haben sollen.


Eine Frau kommt von rechts und drückt mir ein Gesangsheft in die Hand.. „Sie bleiben zur Andacht?“ – ehm…. Klar, warum nicht? Es ist die erste seit meiner Konfirmation. Und die ist immerhin 11 Jahre her. Außerdem wird es mit der Andacht ruhig und der völlig unpassende Lärm des Tagesgeschäftes strömt hinaus. 


Ich Mecker-Opa denke ich und bin gespannt, was mich erwartet. 


Kurz bevor es losgeht, knacken die Lautsprecher und ein Gespräch der Pastorin hallt durch das Kirchenschiff. Nach einer Weile, scheint sie jemand darauf hinzuweisen und sie schaltet ihr Mikrofon aus. Gerade als es spannend wurde…


Kurz darauf steht sie auf der Kanzel und redet über unsere Gaben und wie wir sie freigiebig in die Welt tragen sollten. Unsere Hoffnung, unseren Glauben und unseren Mut. Ich hoffe, genau das zu tun. Aber manchmal fühle ich mich auch, als täte ich viel zu oft genau das Gegenteil. Zum Beispiel, wenn ich über Touristen meckere, die auch nur versuchen, ihre 10 Tage Urlaub nach bestem Gewissen zu füllen. Immerhin geht nicht jeder so sorglos durchs Leben wie ich.


Mein Blick fällt auf einen kleinen Käfer, dessen im Sonnenlicht glitzernder Panzer mich aus meinen Gedanken und zurück in die Frauenkirche holt, gerade als er über den Rücken der Gesangsbuchablage vor mir krabbelt. Ich beobachte seine Bahn, während die Pastorin Psalm 145 liest: „Kindeskinder werden deine Werke preisen…“ – Ich bin nicht gläubig aber ich preise die Werke der Natur. Wie den kleinen Käfer, der da völlig unbeirrt seinen Weg geht. Plötzlich ein lautes KLACK. Mein Sitznachbar schnippst den Käfer mit voller Wucht von der Bank. „Gnädig und barmherzig ist der Herr, geduldig und von großer Güte“ spricht der Mann die nächsten Verse des Psalms mit. 


Ich frage mich, wer von uns wirklich ungläubig ist.


Als ich auch aus diesen Gedanken zurückkehrte, geht es um das Nagelkreuz auf dem Altar. Die Pastorin ist weg und eine Historikerin erzählt Einzelheiten über die Kirche. 

Das Kreuz ist Ausdruck einer Vergebungsbekundung der Briten. Es wurde aus den Balkennägeln des Domdachs der 1940 zerbombten Stadt Coventry gefertigt und es ist nicht das einzige. In den Kirchen der Welt stehen die Kreuze als Zeichen von Frieden und Versöhnung. Bindeglieder der Stadtgeschichten von Coventry und Dresden. Die eine Stadt der Auftakt eines rücksichtslosen Bombenkrieges. Die andere das Finale. 


So ziert das Kreuz den Altar der Frauenkirche und erinnert an die schrecklichen Relikte längst vergangen geglaubter Zeiten. 


So wie alles hier daran erinnert. Denn die Kirche wurde erst mit der Wende wieder aufgebaut. Zwei Drittel des Budgets wurden durch private Spenden gesammelt. Wieder mal fühle ich mich bestärkt in meiner Mission. Gleichzeitig kann ich nicht glauben, dass dieses Gebäude, das so viel Altertümlichkeit und Geschichte ausstrahlt, erst vor 17 Jahren fertiggestellt wurde. 

Und so erzählt auch das Mosaik aus dunkelgrauen und hellgelben Sandsteinen, die teils aus den Trümmern geborgen und teils neu gefertigt wurden, für immer die Geschichte der Zerstörung der Stadt.


Genau wie so viele Gebäude im grau-beige-gescheckten Dresden. 


Immerhin diese Narben konnten verheilen. 


Als ich aus der Kirche trete schlägt mir die Sonne ins Gesicht. Die Luft kocht und ich flüchte mich in einen Park. Fasziniert davon, wie viele Gedanken ein einfacher Kirchenbesuch anregen kann.


Mir kommt die Frage in den Kopf, wie sehr meine Spendenaktion wohl die Erfahrungen dieser Reise prägt.


Kommentar schreiben

Kommentare: 0