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Nachts Und An Der Donau

Meine verdammt schöne Zeit in Wien möchte ich nicht unerwähnt lassen. Vor allem, weil meine zwei Gastgeber sie so unvergesslich gemacht haben. Auch wenn es nicht so richtig, die eine Geschichte zu erzählen gibt... 

Wien steht schon lange auf meiner Liste von Orten, die ich bereisen will. Es mag lächerlich klingen, und doch bin ich nie dazu gekommen, der Hauptstadt unseres Nachbarlandes einen Besuch abzustatten. 

 

Umso mehr habe ich die letzten Tage auf dieses Etappenziel hingestrampelt. In den letzten vier Tagen bin ich immer mindestens 100 km gefahren. Durch Regen und Sturm, über endlose Hügelkuppen und holprige Landstraßen. Und durch neblige Wälder, die von Sonnenstrahlen zerschnitten werden und mit die Sprache verschlagen. 

 

Davor liegt Prag, Dresden, Berlin, Hamburg und all die wundervollen Strecken, die ich zwischen diesen Städten entdecken durfte.

 

Nun Wien. Nicht irgendein Etappenziel, sondern die Halbzeitpause. In der ich ausspannen will, mir vier Nächte und drei volle Tage Pause verspreche und danach endlich ins Unbekannte aufbrechen kann! Und das mit ausgeruhten Beinen und reichlich Kraft. 

 

Denn davon ist gerade nicht viel übrig. Ich hänge über meinem Lenker und quäle mich vorwärts. Ein klappriges Damenrad zieht links an mir vorbei. Ein Brombeerbusch rechts. – doch ich bin zu kaputt, um anzuhalten. 120 km stehen auf dem Tacho und Wiens Skyline streckt sich nur wenige Kilometer vor mir in die Höhe. Das einzige, was mich die letzte Stunde hat weiterfahren lassen, war der Gedanke an den Sprung in die Donau. Ins kühle Nass eintauchen, entspannen und den Dreck der letzten Tage von mir waschen...

 

Während ich so vor mich hinschwelge fallen mir die Augen zu. Nur eine Sekunde, und doch lande ich fast im Busch. Das Fahrrad ist nun wirklich kein guter Ort für Sekundenschlaf. Also reiß dich zusammen und fahr die letzten Meilen. Nurnoch diesen alten Bahndamm entlang, bis in die Vorstädte, deren Straßen mich über hohe Brücken und schließlich zur Donau Insel führen. 

 

Dort winkt Dominic mir schon entgegen. Neben ihm sitzt Lolo - fettes Grinsen und noch fetteres Anarchie-Zeichen auf die Brust tätowiert. Beide lerne ich erst jetzt kennen. Doch spätestens, als ich direkt nach meinem Sprung in die Donau ein Bier in die Hand gedrückt bekomme, weiß ich, dass ich die zwei richtigen Chaoten für meine Pause in Wien erwischt hab. 

 

Als ich kurz zuvor noch im kühl-klaren Wasser der neuen Donau treibe, weiß ich nicht, was mich in den nächsten Tagen erwarten wird. Dass ich heute noch auf zwei Hauspartys gehen werde, auf denen ich nicht einen Menschen kenne. Dass ich Edelkäse aus Müll-Containern retten, verwirrt durch das sonntäglich geschlossene Wien irren und mit unfassbar liebenswerten Menschen auf die Stadt hinab blicken werde, in der langsam die Lichter angehen. All das weiß ich noch nicht. 

 

Nur eines weiß ich. Ich will von dieser Brücke springen die nicht weit von mir das Wasser überspannt. Tief genug, ist es auf jeden Fall. 

 

Und so laber ich in den nächsten Tagen jeden, der es nicht wissen will, damit voll, wie perfekt diese Brücken doch zum springen seien. Am letzten Tag ist es so weit. Donau-Insel, Bier und Snacks – eigentlich alles wie immer. Nur geht’s dieses mal nicht auf irgendeine Party, sondern zur U6-Donaubrücke und von da steil abwärts. Ich weiß nicht warum, aber der Höhensprung ins Wasser wird mich immer begeistern. Vor allem ab der Höhe, ab der man Zeit hat den Gedanken zu fassen, dass man ja immernoch in der Luft ist. Das tritt so ab 11 Metern ein. Bei mir zumindest. 

 

Dominics und mein erster Sprung begeistert gleich noch Vicky und zwei wildfremde Zuschauer. Zu fünft stehen wir nun auf der falschen Seite des Geländer. Vom kalten Wasser und der kühlen Abendluft schlottern mir schon die Knie, doch dann beginne ich zu zählen und es gibt kein Zurück mehr. 3... 2... 1... Sprung - Gemeinsam stürzen wir uns in die Tiefe. Das Eintauchen, wie ein kleines Feuerwerk. Als wir auftauchen meint Eren nur, dass ich öfter nach Wien kommen soll. Der Effekt jeden zu seinem eigenen Abenteuer zu motivieren, gefällt ihm. Und alleine, hätte er das nicht gemacht. 

 

Ein Kompliment, dass mich besonders freut. Denn genau das ist einer der Gründe für meinen Blog. Abenteuer sind nicht schwierig. Man muss sich nur wagen eins einzugehen. Und wenn man für den Anfang nicht allein sein will, dann schließt man sich halt an. 

 

Aber neben Mut und Abenteuerlust haben mir die Menschen hier vor allem gezeigt, dass man sich nicht immer stressen muss. Dass es ok ist, das Lebensmodell, das auch ich im Studium gepflegt habe, hin und wieder auszuleben. in der Stadt die man liebt, einfach in den Tag zu leben. Ohne Termine, Ziele, Pläne und Pflichten. Einfach nichts tun und das Leben genießen. Dafür muss man nicht im Urlaub sein. Und wenn man zufällig noch spontan von einer Brücke springt, dann ist doch alles in feinster Ordnung. 

 

Neben Spaß und Leichtlebigkeit ist mir insbesondere ein Gespräch, aus dieser Zeit in Erinnerung geblieben, das ich mit Maxim hatte. Maxim ist Dominics Mitbewohner, mit dem ich mindestens genauso viel abhänge und der mich nicht minder herzlich aufnimmt. Er hat eine Leidenschaft für gute Teesorten und kommt ursprünglich aus Sibirien. Jung ist er nach St. Petersburg gezogen, seine Mutter auf der Suche nach einem besseren Leben. Dann ging es nach Deutschland. Für ihn, die beste Entscheidung, die seine Mutter je getroffen hat. Weil er hier so viele Möglichkeiten gibt. 

 

Sein Land verlassen - alles was man kennt - die beste Entscheidung. Das ist wohl das größte Abenteuer, auf das man sich einlassen kann. Und eins das sicher nicht immer lustig ist. 

 

Russland verlassen. 

 

Weil Menschen in diesem Land keine Perspektive haben dürfen. 

 

Eine grundlegende Freiheit, die einem ganzen Volk genommen wurde. Und einem weiteren genommen werden soll.

 

Ein neuer Eindruck, der mich zufrieden weiterfahren lässt. 

 

Insbesondere, weil ich mein Spendenziel von 1000€ schon in Wien geknackt habe. 

 

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