Als ich diesen Text geschrieben habe, ahne ich nicht, dass ich 17 Tage später an einem Strand der Ägäis sitzen und über meine Dramatik lachen würde. Trotzdem hat es sich sehr echt angefühlt. Und dass ich seit einer Woche Knieschmerzen hab, liegt nicht zuletzt daran, dass ich seit Losinj keine richtige Pause mehr nehmen konnte.
Mindestens ein bisschen Recht, hab ich also behalten.
An Ruhe ist nicht zu denken, wenn ich zu einer Pause gezwungen werde. Es fühlt sich an wie in einer Zwangsjacke. In mir juckt es! Die Energie, die ich fürs Radfahren eingeplant habe, muss raus. Doch sie kann nicht. Denn ich bin gefangen auf Losinj.
Zugegebenermaßen ein wunderschönes Gefängnis. Vom Wind verdrehte Pinien winden sich die Hänge hinauf und überragen das türkise Meer, das in ewiger Brandung gegen die Felsen schlägt. Auf ihnen baden Eidechsen in der Sonne - nur knapp oberhalb der Gicht – und beobachten das Treiben der Touristen. Es sind nichtmehr viele die aus dem kleinen Städtchen plätschern, dass sich in diese bezaubernde Bucht schmiegt und nur für einige Straßenzüge die Hügel erklimmt. Hauptsächlich sind es Treppen, die die bunten Häuser miteinander verbinden. Ihre pastellfarbene Fassaden werden von orangenen Ziegeldächern gekrönt. Ich sehe ihnen die Dekaden der adriatischen Jahreszeiten an. Ein Kirchturm überblickt das Geschehen der Stadt und des Hafens. Er ist nur wenige Meter höher, als die umliegenden Häuser und doch ist klar, dass es die große Kirche sein muss.
Als ich ankomme weht eine steife Brise und die Sonne scheint. Alles in allem ist gutes Wetter. Trotzdem sieht man nur einlaufende Schiffe und solche, die gerade festgemacht werden. Außer einer einsamen Fähre, kein einziges, dass den Hafen verlässt. Wirklich auffallen tut mir das in dem Moment zwar noch nicht, doch das wird es bald. Denn als ich am Ticketschalter nach der Fähre zum Festland frage, fällt die Antwort kurz aus.
Freitag.
… Freitag… Welcher Tag war heute nochmal? Donnerstag? Ne. Moment?!
Es ist Mittwoch?!
Mein Zeitplan ist doch sowieso schon überdehnt! Meine Woche in PLAC war ja alles andere als geplant.
Drei Tage grundlos Pause, passen mir gerade also alles andere als in den Kram.
Gibt es wirklich keine andere Möglichkeit? Die Frau am Schalter lacht nur. Dann schüttelt sie den Kopf.
Etwas bedröppelt setze ich mich an die Kaimauer und beginne mein Mittag zu essen. Das Sonnenlicht spiegelt sich in den endlosen Facetten der Wellen und ich beobachte die einlaufenden Schiffe und die vorbeiziehenden Touristen. Alles wirkt entspannt. Doch in mit brodelt es. Ich will eine Lösung. Jetzt!
Also beginne ich mich um Hafen umzugucken. Frage einige Segler, ob sie nicht zufällig noch ans Festland fahren. Alle sagen mir, dass das bei dem aufkommenden Wetter nur ein Wahnsinniger machen würde. Und das man mit dem Segelboot wohl zwei Tage für 70 km braucht. Was ist‘n das für ein Reisetempo, frage ich mich. Ich dachte immer man wäre mindestens so schnell wie ich auf Helge.
Als nächstes wende ich mich an einige Fischer. Keiner fährt ans Festland. Warum auch? Fische gibt’s da keine. Und bei Sturm, legen die meisten ohnehin nicht ab.
Mein nächster Stopp ist eine Werft. Keins der großen blauen Schiffe ist seetüchtig. Und mitnehmen würden sie mich auch sonst nicht.
Allgemein scheint niemand mein Problem ernst zu nehmen. Fahr halt Bus. Oder Zug. Ist doch egal. Mir halt nicht. Denn für mich fühlt es sich schon nach schummeln an, überhaupt eine Fähre zu benutzen. Jetzt radel ich ja nichtmehr die ganze Strecke. Aber das ist ein anderes Thema.
Zuletzt frage ich einen Yacht-Club Mitarbeiter. Der sagt mir das gleiche wie alle anderen auch. Und, dass ich von Glück reden kann, wenn die Fähre Freitag überhaupt fährt. Wegen des Sturms natürlich. Auf meinen enttäuschten Blick sagt er nur eins:
„Welcome to the life on an island! Only one thing to do - enjoy“
Ich lache. Er auch. Das ist wohl die Moral der Insel. Das Wetter kannst du nicht ändern. Also ärger dich nicht darüber.
Entschleunigen. Langsam sickert zu mir durch, dass ich keine Wahl habe, als mein Schicksal zu akzeptieren. Zu akzeptieren, dass wir dieser wunderschönen Welt ausgeliefert sind. Dass wir nicht alles in der Hand haben und sich die schönsten Träume in Luft auflösen, wenn die Welt nicht will.
Es bleibt nur abzuwarten und auf gutes Wetter zu hoffen.
In der Nacht beginnt es zu regnen. Die Fensterläden klappern, doch ich liege warm und trocken in Robertas Haus. Wieder mal, hab ich Glück gehabt. Und die Gastfreundschaft der Insel hat mich gerettet. So fühlt es sich jedenfalls an. Und dank ihr, wird aus dem Gefängnis ein kleiner Traumurlaub.
Only one thing to do – Enjoy!
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