Ein kurzer Text, der wertschätzt, was ich letztes Jahr erleben durfte. Inspiriert von Max Frisch's "Antwort aus der Stille" liest er sich weitaus melancholischer, als ich beim Schreiben wahrgenommen habe.
Es ist eine kleine Hommage an den Prozess des Fahrens. Oder viel mehr an die Momente auf dem Weg. Momente, die mir meist als erstes einfallen, wenn ich an meine Fahrradtour zurückdenke. Und Momente, die mich auf meine nächste Tour hoffen lassen. Um das Leben ein weiteres Mal in vollen Zügen zu spüren. Oder auf leeren Straßen...
Denke ich an meine Reise zurück, spüre ich zuerst den Wind in den Haaren, die Griffe in den Händen und die Sonne auf der Haut - oder den Regen.
In Augenblicken bin ich wieder auf der Straße.
Sie führt mich durch dunstig-grüne Wälder, deren dicke Nebelschwaden nur das Licht der Abendsonne zu zerteilen vermag.
Wie goldene Schwerter schneiden ihre Strahlen durch die langen Schatten alter Bäume.
Ihre moosige Borke ist allgegenwärtig und schluckt bald schon auch den letzten Rest des untergehenden Lichts.
Trotzdem fahre ich verzaubert weiter – durch Tschechien.
Längst liegt mir ein Lächeln im Gesicht.
Ohne einen Finger zu rühren, kann ich meine Beine brennen spüren, während der Platzregen mir entgegenschlägt. Dicke Tropfen platzen auf meiner Stirn. Ihre nass-warme Fracht rinnt mir in die Augen und nimmt meine Sicht. Und doch: bereuen tu ich es nicht, dass ich die Gastfreundschaft des Tals grad erst verließ, nur damit mich der steinige Pfad, kurz darauf steil bergauf durch den strömenden Regen dem Gipfel entgegen führt. Oder zumindest über den Pass, die Kühe blicken nass und scheinen mich mit großen Augen zu fragen, was all die Mühe denn soll.
Da liegt die Antwort schon vor mir, als der Weg meinem Blick endlich gewährt über den Berg ins nächste Tal zu fallen. Ins Tal zu fallen, den Wolken hinterher, die die Welt hinter mir noch untergehen zu scheinen ließen. Sich jetzt gleißend über Wiesen ergießen, ins Sonnenlicht getränkt und mit mir über den geschwungenen Kamm zu fließen.
Kein Tropfen mehr, kein Wolkenmeer. Nur grün strahlende Hänge, in deren taufrischen Gräsern sich das Licht unendlich oft bricht.
Ging sie eben noch unter, glitzert mir die Welt nun entgegen. Ihre Schönheit unterfüttert von weißen Wattebäuschen, die sich weich in schattigen Senken sammeln.
Ich brauche eine Weile, bevor ich meinen Blick von den weit-geschwungenen Hügeln lösen kann und schließlich doch weiterfahre – durch Slowenien.
Auch jetzt noch kribbeln meine Wangen.
Und ziehen meine Gedanken weiter, wie das stete Treten in die Pedale mich über die Straßen zog.
Der Fahrtwind trocknet die Schweißperlen des Aufstiegs davon. Sie bleiben einfach in der Luft hängen und hinterlassen nichts, als eine weiß-salzige Schicht, die prickelnd auf meinen Wangen zerreißt. Sie wölbt sich hauchdünn über meine Haut, wie sich auch die weiß-brechenden Wellen über das endlose Blau wölben. Von hier oben sieht die in allen Azur-Tönen schillernde Oberfläche fast schon glatt aus. Dass die Wogen doch toben und weit unter mir gegen die Felswände schellen, da bin ich mir trotzdem sicher.
Immerhin war ich eben noch unten.
Doch ihr Rauschen höre ich nicht. Nur das Rauschen im Gesicht, während ich mich in den Kurven der Hänge verlier. Steil wie Fingerhüte ragen sie aus dem Meer. Und sprenkeln seine Oberfläche grün.
Zwei Möwen gleiten mit mir den Berg hinab. Sie schreien mir jauchzend zu – Kroatien.
Erinnerungen in Freiheit geboren.
Wenn ich mir die Zeit einräume in ihnen zu schwelgen, glaube ich gelebt zu haben.
Das Geschenk des Lebens gefühlt, und ihm für einen Augenblick gerecht geworden zu sein.
Welche Erinnerungen schaffen das mit dir?
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