Schon als ich vor über zwei Jahren aufbrach, Le Mont Saint Michel mit dem Fahrrad zu erreichen, hatte ich diesen Gedanken im Kopf. Einen einsamen Strandfinden, an dem wirklich niemand ist und einfach einen Tag bleiben. Auf den 1.900km durch Deutschland, die Niederlande, Belgien und Frankreich schien das unmöglich.
Ein Jahr später, auf dem Weg zum Olymp hatte ich den gleichen Traum und das gleiche Problem.
Insgesamt nun also 4.000 Küstenkilometer und kein einziger leerer Strand.
Dass es dieses Jahr, in den einsamen Weiten Nordeuropas klappt, da war ich mir sicher.
Was ich dabei gefühlt und erfahren habe, beschreibe ich hier.
Ich liege auf warmen Steinen, die sich seltsam bequem an meinen Körper schmiegen. Tausende Tonnen Eis glitten einst über sie hinweg – und rundeten ab, was vorher kantig war.
Heute gleiten nur noch Wind und Wellen über den Fels. Doch ich liege in seiner Mulde und spüre nichts, vom kalten Nordwind.
Höre nur das Rauschen des Meeres. Die Brandung gegen die Sandbänke. Das Rascheln des Schilfgras.
Genieße den ersten vollen Tag Pause meines Reiselebens – allein in der Natur. Denke an Robinson Crusoe und seine Höhle – fühle mich aber viel mehr wie in seinem Sommerhaus.
An meinem Strand.
Und lausche tiefer in die Welt.
Vor mir der stahlblaue Bottnische Meerbusen. Sehe zu wie weiße Schaumkronen gegen die Steine schlagen und ihre Gischt meterhoch in den grau-weiß-blauen Himmel tragen.
Riesigen Wellen gleich wogt die Wolkendecke über die Szenerie. Keine strukturlose Masse, sondern ein Kunstwerk für sich.
Zwischen Wellen und Wogen schreit eine Möwe in den Wind.
So wild und doch so ruhig – kaum kann ich meine Augen aufhalten. Und schließlich küsst mich die warme Sonne tatsächlich in den Schlaf – so dünn ist das Wolkenmeer, dass ihre Berührung trotzdem spürbar bleibt.
Als ich die Augen wieder aufschlage, hat sich die Welt verändert.
Von der Wolkendecke sind nur noch Fetzen übrig und die Sonne brennt heiß auf mich herab. Strahlend blauer Himmel über mir, während es rechts nach Regen aussieht – zum Glück kommt der Wind von vorn.
Ich dehne mich im Sand unter den Steinen, liege lesend in der Hängematte - über mir blau dann wieder graue Zuckerwatte. Inspiziere die Wellen aus nächster Nähe indem ich mich hineinbegebe – sie sind wesentlich größer als erwartet - und esse fast ununterbrochen Teile meines Proviants.
Der Tag ist alles, was ich mir erhofft hatte. Ruhe, Erholung und wunderschöne Einsamkeit.
Und doch bin ich nicht allein.
Denn die Welt ist mit mir.
Während die Sonne von hinten nach vorne klettert, fühle ich mich wie zu Hause. Und ehrlich gesagt bin ich das auch – zu Hause in der Welt. Wie so oft auf Weg, und doch einzigartig.
Wo wäre ich auch sonst zu Hause, außer im Frühling – bei einem besonderen Mensch, wenn der Globus doch auch keine Grenzen kennt.
Zwischendurch – in der Ferne – sehe ich sogar ein paar weiße Gestalten auf den Steinen umherwandern, die meine kleine Bucht zur Rechten einrahmen. Unbeholfen und deplatziert sehen sie aus. Doch sind sie weit weg und rutsche ich den Stein etwas weiter hinab, sehe ich sie nichtmehr. Was bleibt ist Gischt, die Tannen-bewachsene Landzunge zu meiner Linken und blau auf blau – Himmel auf Meer.
Ein Adler schwebt über mir entlang. Mit Sicherheit nimmt auch er mich wahr – Adlerauge – doch kümmere ich ihn nicht.
So groß und nah ist er, ich könnte glauben, ihn aus der Luft greifen zu können, wenn ich es nicht besser wüsste. Sehe das weiß-braun gescheckte Gefieder seiner Brust. Mein Blick folgt seinem mächtigen Flügelschlag, bis er hinter dem Dach des Tannenwalds verschwindet.
Auch er weiß nicht, was Grenzen sind.
Mittlerweile neigt sich die Sonne dem Horizont entgegen.
Dreieinig scheint sie mit ihren Spiegelbildern und färbt den Himmel langsam rosa. Eins im Meer und eins im Hintersandbankwasser. Wo hundert-und-ein Stein willkürlich verteilt in der rosa-reflektierenden Wasseroberfläche verweiln.
Grün-schwarz ragt das Seegras aus der Spiegelglatten Oberfläche. Der Wind ist verweht und selbst die offene See liegt nun unbewegt, wie eine blau-polierte Granitplatte.
Wieder türmen sich Wolkenberge am Horizont - schieben sich vor die Sonne und alles nimmt seinen Lauf. Abwechselnd glänzt sie durch ein Fenster der Burg. Und erhellt den Rand der Welt im goldenen Wurf.
Sichtbare Sonnenstrahlen - so groß, vielleicht sind es die größten, die je ein Mensch gesehen hat.
Vogelgezwitscher – als würden Wüstenmäuse im Handstand rückwärts Stelzen laufen, flitzen sie über die Sandbänke. Und fliegen können sie auch – wer hätte das gedacht? Gleich halb 12, doch keine Spur von Nacht.
Allein am Strand, allein in der Natur – jeder Vergleich obsolet, wenn ich im hier und jetzt leb.
Grenzenlose Freiheit im Moment.
Wenn ein zwei-jähriger Traum sich zur Realität bekennt.
Grenzenlose Liebe für die Welt.
Wenn ein menschenleerer Strand einen Tag Ruhe bereit hält.
Was gibt es schöneres, als allein mit meinen Gedanken zu sein, wenn ich mir Zeit und Raum lassen kann, sie auszudenken?
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Papa (Samstag, 29 Juli 2023 17:21)
Wunderschön